Was ist was? – Bootlegs, Homebrews, Hacks und Repros

von Björn Eimer


Die Welt der Videospiele bietet wahrlich eine Menge Abwechslung. Doch manchen reicht all das, was der Markt so hergibt, trotzdem nicht aus. Ob es daran liegt, dass manche Games zu selten und / oder zu teuer sind, sich Fans zu manchen Games Fortsetzungen wünschten, die es nie gab oder es manchem einfach nur darum geht, etwas Eigenes zu kreieren – die Motive für das (Um-)Programmieren von Games könnten unterschiedlicher nicht sein.

Bei den Ergebnissen, die sich aus dieser Motivation ergeben, kann man allerdings eine Einteilung vornehmen. Zur besseren Übersicht soll hier nun genau dies geschehen.


Im Vorhinein sei noch gesagt, dass es in diesem Artikel NICHT um die in Massen produzierten Bootlegs und Pirate Cartridges geht, die größtenteils in Fernost produziert wurden. An dieser Stelle aber zumindest ein paar Zeilen zur Erklärung dieser Begriffe:

Bootlegs sind unlizenzierte Spiele mit nicht autorisiertem Inhalt – also Spiele, die grundsätzlich eine eigene Kreation darstellen, dabei jedoch Bausteine der Programmierung bereits existierender Games verwenden. Diese können auch nicht genehmigte Ports bestehender Games (ohne die Erlaubnis des Entwicklers des ursprünglichen Spiels) oder ein nicht autorisierter Hack eines vorhandenen Spiels sein. Solche Bootlegs finden sich teils auch auf den Pirate Multicarts. Die Bezeichnung „Bootleg“ bezieht sich vor allem auf kommerziell produzierte Games und stellt somit den Unterschied zu Homebrews und sonstigen Hacks dar.

Pirated Games sind im Wesentlichen 1 zu 1-Kopien existierender Spiele. Solche Raubkopien können einzeln oder auf Multicarts produziert worden sein. Diese kommen vor allem aus Ländern, in denen die eigentlichen Hersteller von Konsolen und Spielen keine Kontrolle darüber haben, welche Spiele für ihr System veröffentlicht werden und auch wenig oder keine Möglichkeiten besitzen, Einfluss darauf zu nehmen (insbesondere in Fernost, wo ohnehin billig und in Masse produziert wird).

Doch zurück zum eigentlichen Thema:

Im Grunde ist alles in diesem Artikel ein Homebrew, aber das ist eigentlich keine korrekte Antwort – vor allem keine ausreichende. Der Begriff „Homebrew“ lehnt sich an die Bezeichnung für selbst gebrautes Bier an – also in Heimarbeit produzierte Games. Homebrews sind grundsätzlich Games, die für ein obsoletes Gamesystem produziert wurden. Es ist eine Möglichkeit für Fans, Spiele beispielsweise für ihre Lieblingskonsole zu entwickeln und zu produzieren. Es handelt sich um Spiele, die niemals veröffentlicht wurden und ausschließlich in den letzten circa 20 Jahren produziert wurden. Eigentlich stellen solche Spiele eine Copyright-Verletzung dar, doch blicken die großen Konzerne für gewöhnlich über diese Nische des Videospiel-Marktes hinweg.

Genaugenommen gibt es drei Typen von Games, die als Homebrews bezeichnet werden:

Hacks

Unter einem Hack ist grundsätzlich ein Eingriff in die ursprüngliche Codierung eines bereits existierenden Spiels zu verstehen. Wie intensiv dieser Eingriff ist, kann von Spiel zu Spiel völlig unterschiedlich sein. Es können winzige Details sein, wie etwa die Kleidung der Spielfigur oder dessen Haarfarbe (es gibt beispielsweise einen „Naked Mario“-Hack). Die Eingriffe können aber auch so umfassend sein, dass dabei ein völlig neues Game entsteht. Doch bliebe es auch in einem solchen Fall noch immer ein Hack. Wer beispielsweise ein neues Super Mario-Game entwirft und dafür – quasi wie in Mario Maker – Details aus dem Original verwendet, hat letzlich „nur“ etwas an bereits Bestehendem verändert. Die am häufigsten gehackten Games auf dem NES sind Super Mario Bros., Super Mario Bros. 3, The Legend of Zelda, die Mega Man-Reihe sowie die Castlevania-Games.

Repros

Es gibt auch Games, die seinerzeit erschienen und von denen heutzutage dennoch zwei oder gar mehr Versionen existieren. Diese Kategorie von Videospielen wird „Repops“ / Reproductions genannt. Doch warum wird eine Repro erstellt?

  • Es handelt sich um ein seltenes oder teures Game.
    Spiele wie „Little Samson“ werden daher gern reproduziert. Dabei ist dann natürlich darauf zu achten, dass man sich als Sammler keine Repro als Original andrehen lässt.
  • Das Game erschien nicht in der erwünschten Region / Fassung.
    Wer beispielsweise in den USA den Wunsch hegt, „Mr. Gimmick“ seiner Sammlung hinzuzufügen, kann sich dafür auf den europäischen Sammlermärkten umschauen oder sich die Famicom-Version zulegen. Dies geht dann allerdings sehr auf´s Budget. Somit kam es natürlich schon bald dazu, dass von solchen Spielen Kopien angefertigt wurden. Selbiges gilt für Famicom-Games, die nie außerhalb Japans erschienen. Einige dieser Games wurden daher auf NES-Carts übertragen. Teils ist es bis ins kleinste Detail die Original-Fassung, in manchen Fällen wurde aber auch ein Hack der Sprachausgabe vorgenommen. Dies ist besonders bei stark textgeprägten Games überaus hilfreich und erspart einem die Japanisch-Sprachkurse.

Zwar könnte man argumentieren, dass es sich in diesem Fall nicht um eine Repro, sondern um einen Hack handelt, doch ändert sich bei einem Spiel wie etwa „Sweet Home“ durch den englischen statt japanischen Text ja nichts Wesentliches am eigentlichen Gameplay.

  • Es handelt sich um Reproduktionen von niemals erschienenen Games.
    Im Laufe der Lebensspanne des NES (wie natürlich auch aller anderen Konsolen) gab es unzählige Games, deren Veröffentlichung zu verschiedenen Zeitpunkten der Entwicklung dieser Spiele gecancelt wurde. Der Prototyp oder das (halb-)fertige Game fand in den letzten circa 20 Jahren dann aber doch noch irgendwie seinen Weg ins Licht der Öffentlichkeit. Beispiele hierfür wären „Bio Force Ape“, „California Raisins“, „Time Diver: Eon Man“ oder „Drac´s Night Out“. Manche Restrosammler – insbesondere in den USA – recherchieren und bemühen sich intensiv um das Aufspüren dieser Games. Dabei befindet sich längst nicht jedes davon in einem spielbaren Zustand. Beim geheimnisumwitterten „Hellraiser“ beispielsweise existierten seinerzeit lediglich der Titelbildschirm und ein paar Character-Sprites. Die Spiele, die in den vergangenen Jahren aufgespürt und zumindest als ROM veröffentlicht wurden, sind Entwicklungen aus der Alpha- oder Beta-Test-Phase oder erreichten in wenigen Fällen sogar schon die Produktionsreife.
    Manchmal sind auch die ursprünglichen Programmierer dieser Spiele an der späten Veröffentlichung beteiligt, wie etwa die Oliver Twins mit ihren Dachboden-Fundstücken von unveröffentlichten Codemasters-Games (Wonderland Dizzy, Dreamworld Pogie, Mystery World Dizzy). Gelegentlich taucht hier und da noch ein weiteres, unveröffentlichtes Game auf.

Homebrews

Ein Homebrew ist ein Game, das nie zuvor in irgendeiner Form existiert hat und von einem Programmierer in den letzten circa 15 Jahren programmiert wurde. Es ist also ein brandneues Spiel für eine alte Spielekonsole. Wie umfassend dieses neue Spiel in Bezug auf Länge und Grafik ist, bleibt jedem Hobby-Programmierer selbst überlassen. Teils handelt es sich um Mini-Games oder selbstprogrammierte Neuauflagen von Klassikern wie Frogger, Pong oder Snake. Es kann aber auch eine Qualitätsstufe erreicht werden, die sogar Originalspiele übertrifft. Diese Games erlangen dann durchaus auch eine gewisse Beliebtheit unter Fans und Sammlern – Beispiel hierfür sind die beiden „Battle Kid“-Spiele.

Immer wieder gibt es Projekte von einzelnen Progammieren, Gruppen oder gar kleinen Unternehmen, die sich an die Produktion neuer Games heranwagen. Zur Finanzierung gibt es dann etwa eine Kickstarter-Kampagne oder andere Arten des Crowdfunding. Manche Games werden schließlich nur im Download-Format (beispielsweise über Steam) veröffentlicht, teils kommt es aber auch zur Produktion limitierter Auflagen von Game-Cartridges. Diese – liebevoll und originell gestaltet samt Box und Anleitung – können später hohe Preise auf dem Sammlermarkt erzielen.


Die Neuschöpfung von Games ist wie ein kleines Kunstwerk, etwas Eigenes, das die Fans schon immer spielen wollten. Ob es sich um kleinere Spielereien mit der Codierung eines Games handelt, um das Basteln eines komplett neuen Spiels aus den Programmier-Bausteinen eines bereits existierenden Games oder gar um ein Homebrew – der Aufwand und die Leidenschaft der Leute ist auf jeden Fall immer wieder beeindruckend.